Sinfonie des Frühlings – der Gesang der Vögel

Star, Sturnus vulgaris

An einem kalten Märzmorgen sitzt ein Star auf seinem Ansitz. Für uns ein Signal, dass der Frühling nun endlich die graue Jahreszeit ablöst. In der morgendlichen Kälte werden seine Rufe nicht nur gut vernehm-, sondern auch sichtbar. Ein Anlass, sich bewusster mit dem Phänomen Vogelgesang zu beschäftigen.

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Im Jahr 1962 erschien das Buch der amerikanischen Schriftstellerin Rachel Carson „Der stumme Frühling“, welches ein Weltbestseller wurde. Darin schildert die Autorin ein beängstigendes Szenario: Eine Welt ohne den Gesang der Vögel. Seither sind mehr als 60 Jahre vergangen und die Anzahl vieler Vogelarten ist konstant rückläufig. In manchen Gebieten singen mehr Vögel im urbanen Raum, als in der freien Landschaft. Die Gründe dafür finden wir in der derzeitigen Landbewirtschaftung. Vögel brauchen wie alle Lebewesen bestimmte Lebensräume und Nahrung. Beides ist in Deutschland vielerorts Mangelware. Und weil viele Menschen das wissen, hängen sie Nistkästen auf und füttern inzwischen über das ganze Jahr zu. Weil sie nicht wollen, dass der Frühling verstummt.

Wann spricht man eigentlich von Singvögeln?

Als die Dinosaurier ausstarben, überlebten einige kleine, schon zum Gleitflug befähigte Arten diese große Katastrophe und wurden zu dem, was wir heute als eigene Klasse, die Vögel, bezeichnen. Eine Ordnung der Vögel sind die Sperlingsvögel mit der Unterordnung der Singvögel. Nicht jeder Vogel ist also ein Singvogel. Die kleinsten Vertreter hierzulande sind die Goldhähnchen und der größte der Kolkrabe.

25845.jpg Sommergoldhähnchen

Warum singen Vögel?

Nun in erster Linie, um ihre Reviere abzugrenzen, akustisch zu markieren. Vorrangig geht es dabei um Nahrungs- und Bruträume. In den gemäßigten Breiten singen häufiger die Männchen, weil die Brutzeiten kürzer und saisonal bedingt sind. In den Tropen singen mehrheitlich auch die Weibchen. Bei uns gilt das nur bei Arten, bei denen die Geschlechter sehr ähnlich aussehen, wie Rotkehlchen und Stieglitz. Die Männchen grenzen ihre Territorien ab und zeigen gleichzeitig mit einem kraftvollen Gesang ihre Fitness an. Der Gesang ist umso komplexer, je aggressiver die Art ihr Revier markiert. So haben Amseln umfangreichere Gesänge, als die in Kolonien brütenden Mehlschwalben. Eine Nachtigall beherrscht wohl bis zu 300 Strophen. Besonders lange Strophen singt der Schilfrohrsänger. Manche Arten wie der Zilpzalp singen gern von einem Ansitz aus, andere nur im Flug wie die Feldlerche.

21620.jpg Nachtigall

Ist das Singen angeboren?

Vögel haben keine Stimmbänder. Sie erzeugen die Laute über den Syrinx (Stimmkopf) - quasi aus dem Bauch heraus. Sie erlernen den Gesang als Nestlinge von ihren Vater bzw. Eltern. Deshalb konnten Forscher sogar „Dialekte“ bei einzelnen Arten feststellen. Nestlinge müssen die Gesänge abspeichern und dann als Jungvögel auch entsprechend üben. Afrikanische Witwenvögel z.B. legen als Brutschmarotzer ihre Eier in die Nester verschiedener Prachtfinkenarten. Die Eier und auch die Jungvögel sehen aus wie die der Finken und werden von diesen neben den eigenen Jungen großgezogen. Erst als flügge Vögel unterscheiden sie sich völlig von ihren Nestgeschwister. Interessant dabei ist, dass die Witwenvögel den Gesang der jeweiligen Finkenart erlernen und später auch als ihren eigenen Gesang vortragen. Spannend wird der Gesang auch durch viele Imitatoren. So ahmen Stare, Eichelhäher und Gelbspötter andere Vögel, aber auch andere Geräusche ihrer Umwelt nach.

14344.jpg Gelbspötter

Singen Vögel den ganzen Tag?

Bekanntlich beginnen sie schon sehr früh, aber je nach Art zu unterschiedlicher Zeit mit dem Gesang. Warum das so ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Grund ist sicherlich, dass morgens noch kaum Insekten als Nahrung zu finden sind und dadurch mehr Zeit für den Gesang zur Verfügung steht. Auch trägt der Schall bei höherer morgendlicher Luftfeuchte weiter. Ähnliches gilt für die Abendstunden.

37675.jpg Zaunkönig

Ist der Gesang die einzige Kommunikation der Vögel?

Nicht jeder Ruf ist allerdings der eines Singvogels, wie z.B. die markanten Laute des allbekannten Kuckucks beweisen. Es gibt eine ganze Menge anderer Lautäußerungen. Jeder hat schon den Schreckruf einer abfliegenden Amsel oder den Warnruf des Eichelhähers (Waldpolizist) vernommen. Nestlinge befeuern ihre Eltern mit Bettellauten. Gehen dann die Nestlinge zur Ästlingsphase über, werden sie mit Lockrufen der Eltern aus dem Nest heraus gelockt.

28390.jpg Drosselrohrsänger

Es gibt Kontaktrufe beim Fliegen, so bei Kranichen und Gänsen. Manche Arten kreischen wie die Schleiereule. Andere gurren wie die Tauben. Weißstörche klappern mit dem Schnabel und Spechte klopfen an gute Resonanzkörper wie Baumstämme. Die Bekassine erzeugt im Balzflug sogar ein meckerndes Geräusch mit ihren Schwanzfedern (Himmelsziege) und Singschwäne trompeten im Duett. Vögel haben also ein reiches Arsenal verschiedener Laute und wir Menschen daran (meistens) unsere Freude. In Versuchen wurde nachgewiesen, wie stark diese Naturgeräusche bei uns Menschen Stress abbauen. Der Gesang der Vögel gehört hier unbedingt dazu.

19320.jpg Trauerfliegenschnäpper

Und noch etwas verdanken wir wahrscheinlich dem Vogelgesang: Unsere Fähigkeit selbst zu singen und Musik zu komponieren. Berühmte Komponisten, wie Mozart, Bach und Vivaldi, wurden durch den Gesang der Vögel inspiriert. Es gibt also viele Gründe sich für den Schutz unserer „gefiederten Freunde“ einzusetzen; Gründe die über ihre ökologische Schlüsselstellung hinaus gehen.

Text: Andreas Martius

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